achtsam leben – achtsam lehren

Lienhard Valentin

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Kinder in ihrer Einzigartigkeit sehen

20. Januar 2016 von mediengenossin

Der „Mit-Kindern-wachsen-EntdeckungsRaum“ – Ein Angebot für Eltern mit Kindern bis zum dritten Lebensjahr

Vor einigen Jahren haben wir eine Eltern-Kind-Gruppe gegründet, die sich am Ansatz unseres Vereins orientiert. Damit möchten wir Eltern eine Unterstützung bieten, durch die sie mit ihren Kindern wachsen können.

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Wir möchten sie darin begleiten, dass sie ihre Kinder in deren Individualität sehen, aber auch lernen ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und sich selbst als Eltern wert schätzen lernen. Informationen über einen flexiblen Ansatz, der sich einer ständig wandelnden Situation anpasst.

Es ist ein ein besonderes Merkmal des EntdeckungsRaums, dass sich in ihm der gesamte Prozess unseres Vereins widerspiegelt: Wir wurden von Emmi Pikler, Anna Tardos, Magda Gerber, Maria Montessori, Rebeca und Mauricio Wild, Jesper Juul, Jon und Myla Kabat-Zinn, Daniel Siegel und anderen inspiriert und haben vor allem auch über einen langen Zeitraum in den gestaltorientierten Fortbildungen mit Katharina Martin Erfahrungen gesammelt. All diese Ansätze hatten auf die Entwicklung des „Mit-Kindern-wachsen-EntdeckungsRaums“ wesentlichen Einfluss.

Allerdings stand im Zentrum unserer Arbeit von Anfang an keine bestimmte Pädagogik, sondern vor allem eine innere Haltung. Die Haltung, die unser Vereinsname „Mit Kindern wachsen“ nach wie vor sehr treffend wiedergibt. Dieser Ansatz kommt auch beim „Mit-Kindern-wachsen-EntdeckungsRaum“ zum tragen.

Auch wenn der Raum selbst vielleicht so aussieht wie ein Pikler- oder RIE-Spielraum, liegt der Schwerpunkt mindestens genauso auf dem Erwachsenen wie auf dem Kind. Es geht vor allem um die Praxis der Achtsamkeit, um die Entwicklung unseres Einfühlungsvermögens – und natürlich auch immer wieder neu um die Entdeckung der Einzigartigkeit eines jeden Kindes.

Das Prinzip der Nichteinmischung

Einer unserer wichtigsten Grundsätze ist, dass wir nie der Meinung sind, wir wüssten besser als die Eltern, wie sie mit ihrem Kind umgehen sollten. Wir stellen uns, unsere Erfahrung und unser Wissen zur Verfügung, aber das, was für ein Kind „richtig“ ist, lässt sich nur im direkten Kontakt durch Einfühlung in das Kind und die jeweilige Lebenssituation finden und ist letztlich die Angelegenheit der Eltern. Ausdruck dieser inneren Haltung ist, dass wir keine Vorstellungen darüber haben, wie Eltern mit ihrem Kind umgehen „sollten“. Wir gehen davon aus, dass sie schon das Meiste „richtig“ machen, und versuchen unser Bestes, sie in diesem Prozess zu stärken und zu unterstützen.

So haben wir zum Beispiel keine Vorstellung, ob es besser ist, dass ein Kind im Familienbett schläft oder alleine, wie lange es gestillt werden sollte, ob es getragen werden sollte oder nicht. Unser Schwerpunkt besteht darin, das Band zwischen Eltern und Kindern zu stärken, so dass diese besser herausfinden können, was für sie jeweils stimmt. Bei der einen Familie kann dies das Familienbett sein, bei der anderen, dass das Kind dabei unterstützt wird, alleine zu schlafen. Die eine Mutter möchte mit dem Kind die ersten Jahre zu Hause bleiben, die andere entscheidet sich für eine Betreuung. Wie auch immer diese persönlichen Entscheidungen aussehen, wir versuchen, die Mutter/Eltern in ihrem Prozess zu begleiten.

Diese Haltung der grundlegenden Akzeptanz führt dazu, dass sich die Eltern im EntdeckungsRaum angenommen und unterstützt fühlen – es kommt in der Gruppe zu einer akzeptierenden Grundstimmung, die die Basis für alle weiteren Prozesse ist. Die Eltern können sie selbst sein – sie müssen nicht das Gefühl haben, den Erwartungen der Kursleiterin genügen zu sollen, es geht nicht darum, richtig mit Kindern umzugehen, sondern darum, etwas zu entdecken.

Ein kreativer Tanz, der sich der ständig wandelnden Situation anpasst

Da wir die Verantwortung für die Beziehung im Leben mit Kindern bei den Erwachsenen sehen und die Qualität der familiären Beziehungen weitestgehend von unserem inneren Zustand abhängt, werden im „Mit-Kindern-wachsen-EntdeckungsRaum“ je nach Bedarf und Hintergrund der Kursleiterin auch Möglichkeiten zur Selbstunterstützung und Stressbewältigung vorgestellt sowie Wege zu mehr innerer Ausgeglichenheit und emotionaler Kompetenz aufgezeigt.

Im Zentrum des EntdeckungsRaums stehen Einfühlung und Achtsamkeit. Von daher gibt es auch kein festes Programm, der Ansatz ist vielmehr prozessorientiert, das heißt, es gibt zwar eine klare innere Ausrichtung und einen Rahmen, aber die äußere Form passt sich der jeweiligen Situation flexibel an. Dies zeigt sich auch darin, dass die Kursleiterinnen schon während der Fortbildung dabei unterstützt werden, herauszufinden, was ihnen in ihrer Arbeit besonders am Herzen liegt und wo sie ihre persönlichen Schwerpunkte setzen möchten. Von daher kann die Form der „Mit-Kindern-wachsen-EntdeckungsRäume“ durchaus unterschiedlich sein. Vielfalt und das Wissen, dass es den „einen richtigen Weg“ nicht gibt, sind uns sehr wichtig – was aber nicht heißt, dass wir der Beliebigkeit das Wort reden.

Das Ziel, Kinder in ihrer Einzigartigkeit zu sehen und ihnen den Raum zu geben, dass sie sich so weitgehend wie möglich verwirklichen können, ist zentraler Bestandteil unseres Ansatzes. Aber der Weg dorthin ähnelt weniger einer Autobahn, die von A nach B einer festgelegten Route folgt, sondern eher einem kreativen Tanz, der sich der sich ständig wandelnden Situation anpasst und in dem alle beteiligten Tänzer einbezogen sind, der das Ziel aber trotzdem nicht aus den Augen verliert.

Essentielle Gestaltarbeit und Achtsamkeit

Was die Elemente angeht, die den „Mit-Kindern-wachsen- EntdeckungsRaum“ ausmachen, stehen die Essentielle Gestaltarbeit, wie sie von Katharina Martinentwickelt wurde, und die Praxis der Achtsamkeit in der Mitte. Den Rahmen bildet vor allem die Arbeit von Magda Gerber und Emma Pikler. Hinzu kommen die Arbeit des Bindungsforschers und Begründers der interpersonellen Neurobiologie Daniel J. Siegel, die gewaltfreie Kommunikation, das ursprüngliche Spiel und andere Ansätze, mit denen wir uns im Laufe der Jahre befasst haben.

Die Fortbildung Ein guter Start ins Leben verstehen wir nicht als Ausbildung, sondern eher als notwendiges Minimum, um mit einem EntdeckungsRaum beginnen zu können. Das Lernen selbst hört dann möglichst nicht mehr auf.

Erweiterung des Angebots für Eltern

Zum Abschluss möchte ich noch betonen, dass wir den „Mit-Kindern-wachsen-EntdeckungsRaum“ nicht ins Leben gerufen haben, weil wir an den anderen Formen von Spielräumen etwas auszusetzen haben, oder weil wir denken, unser EntdeckungsRaum wäre eine höherwertige Alternative. Anlass war vielmehr, dass sich in unserer Arbeit über die Jahre hinweg mit der Achtsamkeit und Essentiellen Gestaltarbeit ein Schwerpunkt ergeben hat, der uns besonders am Herzen liegt und den wir ins Zentrum des EntdeckungsRaums stellen wollten. Wir sehen den „Mit-Kindern-wachsen-EntdeckungsRaum“ von daher eher als eine Erweiterung des Angebotes für Eltern, das vor allem jene anspricht, für die die Praxis der Achtsamkeit eine ähnlich wichtige Rolle in ihrem Leben und im Leben mit Kindern spielt.

Insofern wünschen wir uns für dieses Angebot eine Sichtweise, wie sie Catherine McTamaney in ihrem Buch Das Tao von Montessori so schön beschrieben hat:

„Wenn wir jedoch anerkennen, dass jeder unserer Kollegen diese überaus schwierige Arbeit aus den gleichen zentralen Gründen wie wir gewählt hat – nämlich Kindern zu dienen –, könnten wir vielleicht Mitgefühl für unsere Unterschiedlichkeit finden, statt sie zu verurteilen. Solange Kinder als Individuen geboren werden, solange wir an der Überzeugung festhalten, dass jedes Kind einzigartig und vollkommen ist, sind wir zu unterschiedlichen Umsetzungen dieser Methode auf breiter Ebene verpflichtet. Wenn wir unseren Stolz gegen eine Kooperation eintauschen, haben wir die Vielzahl der Montessori-Welten respektiert, die um die Vielzahl der Kinder kreisen, denen sie dienen. Auch wenn wir uns dann immer noch nicht über die Speisekarte einig sind, können wir auf eine Weise unterschiedlicher Meinung sein, die uns dennoch einen Platz am Tisch anbietet.“

Erschienen in der Zeitschrift „Mit Kindern wachsen“, Ausgabe: Heft Januar 2008

Kategorie: Artikel Stichworte: Kontakt mit Kindern, Mit Kindern wachsen, selbstunterstützung

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